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Dienstag, 29. Mai 2012, 11:56

"Helden, Helden"

Hi,

heute möchte ich gern noch einmal auf Udos erstes Musical "Helden, Helden" zurückkommen, welches am 27. Oktober 1972 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde:



Und hier das Programmheft der Hamburger "Helden", die ein paar Monate später im Operettenhaus Hamburg ihre Deutschlandpremiere hatten:




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Zur Handlung:

-Literarische Vorlage

-Handlung Teil 1

-Handlung Teil 2


Die Uraufführung dieses Musicals fiel leider in eine Zeit, in der Udo und sein Management stark unter Beschuß standen.
Bei Udo waren erste Ermüdungserscheinungen zu erkennen, und so sahen Kritiker und Gegner ihre "große Stunde" kommen.
Nach anfänglich eher harmloser Kritik schoß man sich regelrecht auf sein Musical ein und machte es rigoros nieder, obwohl es von Publikum und anwesender Prominenz enthusiastisch gefeiert wurde.
Die Leute fanden die Lieder gut - typisch Udo Jürgens, wie ein Besucher sagte - die Kritiker meinten, sie wären fade, einfallslos und "dünn" komponiert.
Man schrieb den Lesern regelrecht vor, daß sie diese Musik nicht gutzufinden hätten, ja die Kritik richtete sich jetzt nicht nur gegen Udos Musical, sondern auch gegen sein Management und auch gegen Udo selbst:
Er sei zwar Europas bestgemanagter Showstar, aber keineswegs Europas bester Showstar!
Doch lest selbst, wie sich die Presse in diese nicht enden wollenden Vorwürfe hineinsteigerte.
Beginnen möchte ich mit einem kleinen Presseartikel zur Wiener Premiere, der nur erst einmal vorrangig die gesamte Prominenz beleuchtet, die zu diesem Riesenspektakel erschienen war:

>>Rund um Udos "Helden"



"Helden, Helden" nach der Schlacht: Bundespräsident Franz Jonas gratuliert Udo Jürgens.

"Egal, was in Wien auch passiert", orakelte einer sarkastisch-selbstzufrieden, "entweder wird's ein Heuriger oder eine Operette."

So war's denn auch. Samt Bundeshymne als Ouvertüre, denn schließlich hatte Herr Bundespräsident Franz
J o n a s den Ehrenschutz über die langerwartete Welturaufführung des Udo-Jürgens-Musicals "Helden, Helden" übernommen. Und während der Hauptmann Bluntschli, alias Michael H e l t a u , im fabelhaften Alleingang demonstrierte, daß der Österreicher vielleicht den Charme, der Schwyzer aber alle Sympathien gepachtet hat, da spielten sie im Zuschauerraum ihre kleine Operette. Ach ja, nichts, gar nichts fehlte. Die Primadonnen nicht, die's besser gekonnt hätten als die auf der Bühne, die kleinen Ränkeschmiede nicht, die Politiker nicht, die am Süppchen mitnaschten und auch jene fehlten im Geiste nicht, die nur fehlten, weil sie nicht mitnaschen konnten.

Sicher, sicher, das Ereignis sprengte den Wiener Rahmen. Die internationale Spritze kam aus bundesdeutschen Gauen. Freunde, das "Altreich" verleiht uns ab und zu noch immer Glanz. Auf daß wir nicht ganz verblödeln als Provinz. Dafür schenkte uns Uschi Glas - letzten Endes doch fest in österreichischer Hand, weil an ihrer Seite der Kitzbüheler Schloßherr Max Graf Lamberg nicht fehlte - den prächtigen Anblick von Dekolleté mit Abendkleid, Christiane Krüger, Hardys Tochter und "Ständige" des Komponistenbruders Manfred Bockelmann, den Anblick endlos schwarzbestrumpfter Beine, die direkt im Himmel enden. Dafür gab sie sich um den Hals rot-weiß verrüscht.

Zu Udos höherer Ehr' und der "Ariola" Kassen hatte man rund 150 Journalisten eingeflogen, denn Hamburg und Berlin gieren nicht minder nach "Helden, Helden", und gestern startete Udo seine Tournee. Da braucht man jede Zeile.

Die geballte Wiener Prominenz - mit Rolf Kutscheras Kollegentriumvirat Rudolf Gamsjäger (Oper), Gerhard Klingenberg (Burg), der schon vor der Premiere so wirkte, wie er nachher aussehen wollte, nämlich distanziert trotz Pleiten im eigenen Hause, und Albert Moser (Volksoper), die Bundestheaterchefs Robert Jungbluth und Dr. Gottfried Heindl, die Opernsänger Otto Edelmann, Hilde Güden, Erich Kunz, Peter Minich, Society-Löwe Erwein Gecmen-Waldeck, Opernballgräfin Dr. Christl Schönfeldt und, und, und - spielte distinguierte Statisterie.

Nur Ljuba Welitsch zerdrückte eine Träne im Knopfloch. Schließlich war sie selbst eine hinreißende Katharina Petkoff - jetzt von Irmgard Seefried gespielt - und hatte ein Angebot aus Hamburg. "Aber", so Ljuba, "drei Monate ist mir zu lange. Ich habe abgesagt."

Die hohe Politik kam in der Pause zum Zuge. Da bat Hausherr Rolf Kutschera zum Gläschen Champagner, und "Helden"-Komponist Udo Jürgens vermeldete hinterher nicht ohne Stolz ein Zitat des Bundespräsidenten: "Wenn man in fünfzig Jahren von den Premieren des Theaters an der Wien sprechen wird, dann wird man ganz bestimmt zuerst 'Helden, Helden' nennen."

Während Finanzminister Doktor Hannes Androsch, Vizekanzler Ing. Rudolf Häuser, Wiens SP-Chef Präsident Otto Probst und Vizebürgermeister Gertrude Sandner-Fröhlich von Beginn an in der Premiere saßen, kommt Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky mit ÖGB-Präsident Anton Benya gerade zum Schluckerl "Schampus" zurecht. Der Kanzler zu seinen Wiener Parteifreunden: Ihr seid's guat, ich muß für euch in Simmering a Rede halten, und ihr geht's ins Theater."

Und der Androsch flaxt den rekonvaleszenten Häuser an: "Na, daß d wieder rauchst. Da tuast was für die Staatskassa."

Man ist ja quasi unter sich. Die "schwarze Reichshälfte" fehlt total, und Udo Jürgens, den auf bundesdeutscher Ebene sowohl Willy Brandt als auch vormals Kiesinger reklamieren, trägt zur Feier des Tages wohlgemut ein rotes Stecktuch.

Nur als Auch-noch-Bürgermeister Felix Slavik am Glorienschein der Weltpremiere etwas mitnaschen will - man bat nach dem letzten Vorhang zum Empfang ins Rathaus - , da tanzt Udo kurz aus der Reihe. Papa, Mama, Bruder und Freunde sitzen im Eck' und er zieht Gattin Panja mit dorthin. Doch kurz darauf bittet man den Star des Abends wieder zu Kanzler und Bürgermeister. Die Fotografen danken es sehr.

Hektische Fröhlichkeit hat ja der neugotische Festsaal noch nie ausgestrahlt, und das Ritual der Rathausbüfetts scheint mir in erster Linie auch eher auf WÖK-Feinschmecker abgestimmt, aber dafür funktioniert die Lautsprecheranlage kaum und so erspart man sich einen kurzen Slavik-Sermon.

Buama, fesch san ma heit. De Musi spielt auf.

Und s wa net Wien, wenn net aus allem a Heuriger oder a Operette werden tät. Und kaum ist das erste wienerische Gsangl verklungen, da klingen Musicalklänge auf.

Gemach, gemach. Keine "Helden"-Musik. Da hätt' man ja Noten haben müssen. "My Fair Lady" ist's, was sie da spielen. Auch ganz gut.<<

(Adabei's Sonntagsstory)

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Thomas2« (29. Mai 2012, 13:01)


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Dienstag, 29. Mai 2012, 12:12

Erste Kritik und gewisse Zweifel tauchen bereits in dieser Reportage auf:


>>Theater an der Wien: Udos "Helden" gestern uraufgeführt

Operettenluft mit Schokoduft



Wovon ein Pralinesoldat träumt...: Michael Heltau, Julia Migenes

"In Paris wär's eine Bombensensation geworden. Aber bei uns in Wien?"... klagte eine Dame in der "Helden"-Pause im Foyer an der Wien: "Ein Jammer, wie unsere Prominentenlisten geschrumpft sind. Karajan lehnte gleich ab, Rebroff, die Liechtensteins, die ganze internationale Show- und Kunstelite mit Ausnahme von Giorgio Strehler hat abgesagt." Also drängelte sich bei Udos Uraufführungsgala zugunsten der UNICEF nur Wiens Prominenz, vermischt mit deutscher Industrie. Und die ließ sich immerhin begeistern, jubelte schließlich enthusiasmiert fünfzehn Minuten lang dem erfolgreichen "Helden"-Team zu.

Wem war dieser Erfolg zu danken? "There's no business like Shaw-business" kalkulierte nüchtern der Schweizer "Helden"-Textbearbeiter Hans Gmür. Zu deutsch richtiger: "Der alte Shaw nährt Musicalfabrikanten noch immer am besten." Ich glaube ihm das aufs Wort: "G. B. ist noch immer Musicalautor Nummer 1. Ihm gehörte auch ein Löwenanteil dieses Erfolges. Und um so mehr muß man sich gerade im Fall dieser unverwüstlichen, brillanten Komödie "Arms and the Man" (1894) wundern, daß sie bisher erst einmal, nämlich für Oscar Straus' beliebten "Pralinesoldaten", als Vorlage diente und der Broadway nie nach der Musicalbombe mit garantierter Zündung gegriffen hat.
Doch ein amüsantes Musical nach der US-Erfolgsmasche sind Udos "Helden" weiß Gott nicht geworden. Viel eher eine fade musikalische Komödie mit viel konventioneller Operettenluft. Denn so einfach ummodeln konnte man den guten alten Shaw nicht: Das Autorenteam (Gmür, Hachfeld, Brandin) mußte - Auflage der Shaw-Erben! - mit den Texten sachte umgehen, durfte bloß vereinfachen, knapper gestalten, das Libretto sangbar machen. Und Showstar Udo Jürgens komponierte dazu 18 Songs, darunter sehr bescheidene Dutzendstückeln, die man rasch wieder vergessen wird; aber immerhin auch vier reizende, knisternde Nummern wie das Titelcouplet "Helden, Helden" oder das Chanson "Das Bett".
Im übrigen haben die "Helden"-Autoren alles dem Star zu verdanken, der sein Publikum einen Abend lang vergessen läßt, daß es im Theater sitzt und einer kauzigen Operettengeschichte "auf den Leim geht": also Michael Heltau, dem schwyzerisch-lausbübischen Pralinesoldaten, dem Antihelden Bluntschli. Mit seiner rührend-komischen Art, Nationalstolz, falsches Heldentum, heroische Liebesschwüre lächerlich zu machen, zaubert er aus so mancher dünnen, dümmlich-primitiven Kitschszene in diesem Naschmarktbulgarien an der Wien eine musikalische Weltstadtkomödie. Seine Pointen wirken geschliffen. Man ertappt sich beim herzhaften Lachen.
Neben Heltau trägt Gabriele Jacoby die Aufführung: eine bildhübsche, kokette Raina, aber sicher kein balkanesisches Provinzgänschen. Irmgard Seefried, ihre Mutter: keine Show-, aber eine Shaw-Kanone mit Witz. Ein prächtig-gegensätzliches Dienergespann ergeben Julia Migenes und Ossy Kolmann, einen steifgefrorenen Sergius, den Zinnsoldaten, Louis Ries, einen drollig-dicken Vater Peter Branoff.
Rolf Kutscheras Inszenierung macht sich oft zuwenig bemerkbar. Eine starke Hand, strafferes Tempo, ein paar dramaturgische Änderungen hätten Wunder gewirkt. Zu bieder bleibt Todd Bolenders Folklorechoreographie. Gerhard Hruby entwarf ein praktisches realistisches Bühnenbild. Elegante Kostüme: Maxi Tschunko. Für musikalischen Drive sorgte verläßlich Johannes Fehring.
Ein Wiener Publikumserfolg, gewiß. Ob damit anderswo Staat zu machen ist? Ich zweifle ein wenig.<<

(Karlheinz Roschitz)


So langsam wird es ernst: Das Musical wird gnadenlos niedergemacht:


>>Ein alter Hut bleibt alt, auch wenn ihn Udo trägt



Pralinésoldat und Pralinékomponist: Michael Heltau mit Udo Jürgens

"Dein Hintern hat mich nie gestört,
ich will nur, daß er mir gehört.


("Helden, Helden" - 1. Akt)

Das Textzitat ließe vermuten, hier handle sich's um die neuerdings so beliebte Form homo-erotischer Unterhaltung.
Doch ist es nur typisch für die primitive Reimerei und billige Machart eines neuen Werkes, das Freitag im Theater an der Wien Galapremiere hatte.
"Helden, Helden" sind der Beweis, daß wir in Wien immer noch inmitten der Silbernen Operette leben.
Ein schwaches, läppisches Stück des musikalischen Unterhaltungstheaters ist an diesem Abend nicht einmal durchgefallen. Denn die Akteure der Silbernen Operette saßen auch im Parkett.
So könnte man zur Tagesordnung übergehen, wäre "Helden, Helden" nicht von Udo J ü r g e n s. Seinetwegen muß man die Chose doch wohl so ernst nehmen, wie sie gemeint ist.

Denn Udo, Troubadour von "Lieb Vaterland" und politisch engagiert (was kein Fehler wäre), ist ein Mann mit unleugbarem Einfluß auf ein Massenpublikum. Dem guten Bürger und jenem, der das sein will, hat Jürgens konsumbereit anzubieten: Gefälligkeit, Romantik, handliche Lebensweisheit, Aussicht auf eine heile Welt.
"Wenn die oben etwas dümmer wär'n,
und die unten etwas g'scheiter,
dann brächte man es auf der Welt bald weiter."
So einfach ist das. Und so leicht machen sie sich's alle, die Hachfelds und Gmürs, die Brandins und Krüss'. Udo zerlegt zum Text heile Dur-Dreiklänge, zuweilen versieht er sie mit Moll-Eintrübungen, und sogar manchem Bundeskanzler kommen beim Anhören solch freundlicher Visionen wenn schon nicht Tränen, so doch die besten Gedanken.
Udo Jürgens, ein (nicht nur von seinem fabelhaften Manager) gemachter Mann, geht also nun her und verkauft ein neues Musical mit seinem Namen, was gigantische Vorauspublicity garantiert und für den Start ideale Voraussetzungen schafft.
Er wählt als Stoff "Arms and The Man" - nicht eben das bestgebaute Stück von Bernard Shaw, aber immerhin ein tragfähiges Thema für ein Musical.
Denn die Ironisierung des Heldentums ist aktuell, solange dieses noch etwas gilt.
Leider ist von der Ironie kaum etwas, von Satire oder tieferer Bedeutung gar nichts zu merken in "Helden, Helden" - es sei denn, man begnügt sich mit Operettenpazifismus von solcher Art:

"Die Waffen ruh'n,
die Waffen ruh'n,
mein Gott, das soll'n sie immer tun."


Es gibt Leute, die finden das rührend, und es gibt auch welche, die lachen lauthals, wenn ein Krüppel mit Holzbein auf der Bühne an einem Soldatentanz teilnimmt und zuletzt besoffen in einem Faß umherrollt.
Da lob' ich mir den "Zigeunerbaron", denn dort ist die Musik wenigstens von Johann Strauß und der lustige Krieg hat schon Operettenpatina.
Hier jedoch ist nur das Kostüm historisch. Texter und Komponist, Regisseur und Darsteller sind Menschen von heute. Merken sie nicht, wie verlogen das ist, was sie im Theater tun?
Ich kenne die Antwort: Es sollte ja bloß Unterhaltung, Konsumware fabriziert werden.
Warum aber muß Unterhaltung geistlos, Konsumware abgestanden sein? Geistlos ist das Buch, hilflos seine Dramaturgie, abgestanden die Inszenierung.
Die Aufführung (Regie: Rolf Kutschera) unterscheidet sich vom Standard des Raimundtheaters dadurch, daß Ausstattung und Personal teurer sein können, weil mehr Geld vorhanden ist.
Tempo, Witz, Ideen, vor allem aber Geschmack kann man jedoch nicht kaufen.
Auch nicht Natürlichkeit für Frau Jacoby.
Die Seefried kann man kaufen und Julia Migenes - aber sie sind alleingelassen und retten sich in Outrage.
Den Michael Heltau könnte sich das Raimundtheater auch nicht leisten. (Daß er seinen angenehm diskreten Bluntschli dort nicht spielen würde, ist purer Hochmut.)
Episodisten drängen sich ungebührlich vor - man sieht "Wiener Spatzen" und Bauerntänze, Traumsequenzen und Bolender-Choreographie, Buntgesticktes von Frau Tschunko und Drehbares von Herrn Hruby, Soldaten marschieren, ein Hund quert die Bühne ohne Leine und kriegt Extrabeifall, im Souffleurkasten sitzt die Leopoldi-Witwe Helly Möslein, die Seefried liebt "Wien, nur du", vom Demel und vom Sacher ist die Rede, gelegentlich spielt auch das Orchester, manchmal wird sogar gesungen.
Achtzehn musikalische Nummern zählt das Programmheft auf. Achtzehn Nummern von Udo Jürgens. Nach drei Stunden Stückdauer glaubt man, es seien höchstens fünf oder sechs gewesen.
Eine hab' ich beim Hinausgehen vor mich hingesummt: "Komm, Held meiner Träume". Eine hinreißende Melodie.
Doch die ist nicht aus diesem Stück. Die ist von Oscar Straus.<<

("Durch meine Brille" von Karl Löbl)

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Dienstag, 29. Mai 2012, 12:34

Das Ganze wird zum Fiasko: Udo selbst wird angegriffen:


>>Udo, der Held, ist müde geworden

Dankbares Publikum war dennoch begeistert



Udo Jürgens am Samstag abend im Konzert: Sein Publikum hat er

Das Publikum in der Stadthalle war von Udo Jürgens begeistert.

Es war gekommen, um begeistert zu sein. Denn die, die sich weder von einer Nacht mit der Senorita animieren lassen wollen noch dem zum Helden avancierten Schlagertroubadur die Sozialkritik abkaufen, kommen ja gar nicht.

Udo war erschöpft und total indisponiert. Das ist kein Vorwurf, wenn man Udos Energieaufwand der letzten Zeit einkalkuliert.

Anfangs zog sich das Programm entsetzlich dahin. "Ich bin wieder da" ist zu wenig, wenn man keine neuen Hits mitgebracht hat. Nach der Pause kam dann echte Stimmung auf, aber die wurde durch Udos altbewährte Schlager angeheizt, die originell und hübsch mit neuen Texten versehen worden waren. Höhepunkt gab es keinen.

Udo sang auch einige Nummern aus seinen "Helden". Hätte er doch nicht! Ich habe die Premiere im Theater an der Wien erlebt, und ich war von der vorschußbelorbeerten Musik enttäuscht. Nun bestätigte Udo, daß sein Musical wirklich fernab der Genialität liegt.

Udo Jürgens ist Europas bestgemanagter Showstar, aber keineswegs Europas bester Showstar. Unsachliche Vorwürfe gegen Kritiker und Presse zeugten vom miesen Nervenzustand, seine kosmopolitischen Grundsatzerklärungen von Naivität, der Zusammenklang von Solo- und Chorstimmen von einer erbärmlichen Tontechnik.

Unser Publikum läßt sich eben auch von müde gewordenen Heldem begeistern.

(Herbert O. Glattauer)

P.S.: Gleich nach dem Konzert eilte Udo ins Theater an der Wien, um sich vom Samstag-Premierenpublikum der "Helden" ebenfalls feiern zu lassen.<<


Zum Ende hin stehen nicht nur Udos Musical und er selbst, sondern sein gesamtes Management im Kreuzfeuer der Kritik:


>>Mein bester Freund ist das Klavier



Sänger Jürgens auf Tournee: "Wieder Spielchen spielen"

Wahlzeit hat er gern, denn da lassen sich, sagt der bayrische Impresario Hans R. Beierlein, 43, "mit Udo wieder Spielchen spielen.

Udo Jürgens, Beierleins singender Dukatenesel, tingelt also wieder durch die Bundesrepublik, von Hamburg über Bonn bis Oldenburg, und schon herrsche, prahlt Beierlein, eine "große Drängelage":

Da sei "kaum ein Landesfürst, der nicht den Udo empfängt" und kaum ein Bundespolitiker von Rang, der nicht ins Konzert marschiere; jeder, sagt Beierlein, möchte mit Udo geknipst werden, um an des Sängers Einfluß auf un- und überreife Frauen teilzuhaben.

Jeder Handschlag eines Bundesbonzen soll natürlich auch Udos Verkäuflichkeit steigern. So freundliche Schläge kann der Künstler aus Kärnten gut gebrauchen; böse hat er jüngst genug bekommen.

Im Wiener "Theater an der Wien" war am vorletzten Wochenende Welturaufführung von Udos Shaw-Musical "Helden, Helden". Beierleins PR-Heißluftmaschine hatte ein Weltereignis avisiert, vergleichbar etwa einer Mars-Party mit Nobelpreis-Verleihung an Udo.

Wiens Bussi-Society und der Aktien-Adel aus dem Altreich saßen dann auch im Parkett. Österreichs Minister traten sich aufs Lackschuhwerk, und Herr Jonas, Protektor der Premiere und Präsident der Donaurepublik, schritt mit Nationalhymne in die Ehrenloge.

Um die Staatshaupt-Aktion abzurunden, lud Wiens Bürgermeister Slavik nachher tausend Menschen ins Rathaus zu kaltem Buffet und Stehgeiger- Musik, begrüßte den Bundeskanzler Kreisky, der noch nicht da war, und einen Exoten als "Bürgermeister von Indien".

Was zwischen Hymne und kaltem Braten lag, war jedoch kaum die Reden wert. Shaws alte (1894) seichte Balkan-Komödie, die nach Kolonialherren-Art waschfaule Bulgaren frotzelt, taperte als k. u. k. Trottelei vorüber und Udos Allerweltsmusik verflüchtigte sich rasch.

Der Regisseur und Hausherr Rolf Kutschera hatte freilich von Anbeginn eine Opa-Operette im Sinn. Fragt sich mithin, was Österreichs Obere bewog, als Staffage für einen alten Scherz zu defilieren? Es war die Macht der Wohltätigkeit.

Die "Helden"-Väter hatten nämlich vor der widrigen Pflicht gestanden, die tausend Premierenplätze an eine viel größere Anzahl Prominenter zu verteilen. Beierleins "rettende Idee: den Schwarzen Peter jemandem zuzuschieben, der davon was hat".

So fügte es sich, daß die Unicef, das Weltkinderhilfswerk, zu einer Benefiz-Premiere kam. Unicef zog dann die Staatsmänner herbei, und da man bei offiziellen Auftritten des Bundespräsidenten die Nationalhymne spielen kann, wurde das Ganze, sagt Beierlein versonnen, "sehr viel feierlicher".

Der Benefiz-Trick, freilich, wirkte nicht sedierend auf die Kritiker. Als Udo am nächsten Abend im Riesenbauch der Wiener Stadthalle seine Tournee begann und "Ich bin wieder da" schmetterte, war er ziemlich weg: Die ersten "Helden"-Verrisse hatten ihn völlig verstört.

Er griff daneben, schmiß Texte und beklagte sich in improvisierten Reden über die Pressebengels. Beierlein, der sich vom Doppelstart "Helden" / Tournee eine PR-Akkumulation versprach, litt sichtlich.

Die Symbiose zwischen Udo, dem Prinzen der deutschen Pop-Provinz, und Beierlein, dem Smartesten der "Haifischbranche" (Beierlein), scheint sowieso gestört. Udo beklagt das "überstarke Geltungsbedürfnis" seines Managers; Beierlein meint, Udo, 38, sei in dem Alter, "in dem man mehr auf den Kalender als auf Notenblätter schaut".

Udo ist, glaubt man seinen neuen Liedern, noch einsamer geworden. Er traut nur sich selbst, und sein "bester Freund ist das Klavier"; aber mit seinen Evergreens bringt er Fünfzehn- und Fünfzigjährige immer noch in fliegende Hitze.

Das kann der Traumtänzer dann schwer begreifen: "Daß das Publikum für mich ist und die Presse immer gegen mich." Beierlein tröstet sein Krisen-Baby: "Umgekehrt wär's schlimmer."

Der kleine Beierlein, mit dem langen Udo ein Gespann wie Don Quijote und Sancho Pansa, hat sich's gerichtet: ein Luxushaus am Schliersee, Mercedes 600 mit Chauffeur und "unter zwölf Viertel Wein gehe ich nicht nach Haus".

Er hat Geld in Musik-Copyrights angelegt: "Die größte Kapitalanlage." Für das alte Lied "Wir lagen vor Madagaskar" kassiert er beispielsweise pro anno bis 30 000 Mark. "Kapitalisten können besser mit Geld umgehen als Sozialisten" sagt er und wählt deshalb CSU.

Sein Udo, als Österreicher sowieso neutral, soll auf Tournee aber keine Partei favorisieren. Udos einziges Protest-Liedchen, "Lieb Vaterland", das einmal ein bißchen Wind machte, wertet Beierlein als "Song für eine Allparteienkoalition".

Werben wird Udo für Profitables -- für Burdas "Bunte", die ihn ihrerseits zwecks Auflagen-Steigerung feiert; und für die japanische Elektronik-Firma Yamaha: Um auf den D-Markt zu kommen, hat sie für die Tournee eine komplette Verstärker-Anlage (Schätzwert: 100 000 Mark) "zur Prüfung" bereitgestellt.

Wie die Prüfung auch ausfällt: "Über eine Rückgabe", sagt Beierlein, "haben wir nicht gesprochen."<<

Fritz Rumler (Spiegel)


Wen wundert's also, daß immer weniger Zuschauer zu den Vorstellungen kamen: denn auch nach der Hamburger Premiere rissen die negativen Schlagzeilen nicht ab.
Man hat auf diese Art zwar nicht Udo selbst, dafür aber sein Musical unmöglich gemacht, so daß es aufgrund der fehlenden Besucher für die Veranstalter letztendlich nicht mehr tragbar war.
Und somit wurde ein Stück abgesetzt, welches sicher noch kein Meisterwerk war, aber sein Ziel, das Publikum einfach nur gut zu unterhalten, durchaus erfüllt hat.
Doch wenn man hundertmal gesagt bekommt, das Stück sei schlecht - obwohl man dies selbst vielleicht ganz anders sieht - glaubt man es schließlich auch...
Ich hatte früher schon einmal geschrieben, daß ich einige Kompositionen wie das Titellied, "Daheim", "Wie nennt man das Gefühl" oder auch "Das Bett" für ausgesprochen stark halte - andere plätschern freilich ein wenig vor sich hin.
Ein anderer Vorwurf: Altmodisch. - Ja, sicherlich! Aber erstens ließen die Auflagen der Shaw-Erben gar nichts anderes zu, und zweitens muß doch nicht alles, was altmodisch ist, zwangsläufig schlecht sein?!
Aber wer weiß, vielleicht erleben Udos "Helden" tatsächlich noch einmal eine Auferstehung - gewisse Andeutungen wurden ja bereits schon einmal gemacht.
Wünschen würden es sich sicherlich viele - nicht nur das Franz Schubert Konservatorium...

MfG,
Thomas2

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Thomas2« (29. Mai 2012, 12:54)


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Dienstag, 29. Mai 2012, 16:31

Hallo Thomas2,

erneut kann man nur staunen, was Du so alles "ausbuddelst". - Ich finde schon interessant, dass das Musical - zumindest rückwirkend betrachtet - so unterschiedlich bewertet wurde.. - aber wenn der letzte von Dir zitierte Artikel sogar im "Spiegel" stand, war Udo zu jener Zeit (Herbst 1972) wohl wirklich in einer kleinen Krise. --- Dass er da recht schadlos rausgekommen ist, könnte nach meiner Theorie durchaus an Ralph Siegel liegen, dessen Produktionen ja kurz danach Udo wieder in die Erfolgsspur brachten (z. B. "Der Teufel hat den Schnaps gemacht").

Eine Sache ist mir aufgefallen, die mir völlig neu ist:

Im von Dir zur Verfügung gestellten Link "Handlung" steht ganz unter klein gedruckt zu lesen: "Das Musical basiert auf einem Entwurf von Peter Goldmann". - Dieser Name ist mir bis dato völlig unbekannt gewesen. Also habe ich "gegoogelt" und bin auf folgenden Link gestoßen:

http://www.vvb.de/werke/data/380/showWerk?wid=380#

Dass Udo 1974 eine Komödie namens "Solche Frauen sind gefährlich" vertont hat - so liest sich das für mich -, ist mir gänzlich neu.. - weißt Du da etwas drüber - oder war das vielleicht schon mal Thema hier? - Bzw. - welche Rolle spielt dieser "Peter Goldmann" bei "Helden Helden"? - Sehr spannendes Thema, wie ich finde...

Noch eine Kleinigkeit: Das Textzitat "Dein Hintern hat mich nie gestört, ich will nur, dass er mir gehört" - könnte es sein, dass das dem Hamburger Konzertheft geschuldet ist (Werbung für das Ballhaus ("selbstverständlich: Tischtelefone") und Klomps internationale Sex-Messe ("internationaler Sex- und Erotika-Shop") - kleiner Scherz...

Was ich auch interessant finde: Die Premiere des Musicals "IWNNINY" fand in Deutschland im Hamburger Operettenhaus statt - genau wie die deutsche(!) Premiere von "Helden". - Und auch der Bezug zum musikalischen Leiter Johannes Fehring blieb über die Jahre erhalten - bis heute ist dessen Internet-Präsenz als einer von wenigen Seiten auf der offiziellen Seite verlinkt - im Gegensatz zu.... - aber das ist ein anderes Thema :))

Viele Grüße

Stephan

5

Dienstag, 29. Mai 2012, 19:39

Hallo Stephan,

daß man für den Entwurf des Musicals "Helden, Helden" Peter Goldbaum verpflichtet hatte, kam nicht von ungefähr:

Bereits im Jahre 1958 wurde unter der Regie von Franz Peter Wirth ein Kinofilm namens "Helden" gedreht, der auf George Bernard Shaws Theaterstück "Arms and the Man" basierte. Der Film hielt sich sogar streng an die Vorlage des Theaterstücks und wurde von niemand anderem, als Peter Goldbaum (in Zusammenarbeit mit Harry R. Sokal) produziert.

Es war ein Film der Superlative, mit klangvollen Namen, wie O. W. Fischer (Bluntschli), Liselotte Pulver (Raina) oder Jan Hendriks (Sergius). Desweiteren spielten auch schon ein gewisser Horst Tappert und Hans Clarin mit.
Was später aus Horst Tappert (Derrick) wurde, ist bekannt...
Hans Clarin wirkte etliche Jahre später in Udo Jürgens Kinderserie "Jenny und Jonny oder Alle Kinder dieser Welt" mit, in der er auch so manche Udo Jürgens-Komposition zu Gehör brachte ("Vor hundert Jahren", "Ei babba bum", "Als man in alten Tagen auf Bärenfellen lag" und "Als Adam grub und Eva spann"). So schließt sich also wieder der Kreis...

Der Film "Helden", der am 16. Dezember 1958 im UFA-Palast Hamburg zur Erstaufführung kam, war seinerzeit wirklich ein Riesenerfolg. An Auszeichnungen erhielt er den "Deutschen Filmpreis" 1959 als "bester deutscher Spielfilm" sowie den Wanderpreis "Goldene Schale".
"Der Schauspieler O. W. Fischer bekam als 'bester Hauptdarsteller' das Filmband in Gold, den 'Preis der deutschen Filmkritik' und den 'Bambi'. 'Helden' wurde 1958 mit einer Oscarnominierung für den besten ausländischen Film geehrt." (Wikipedia)

Peter Goldbaum hatte mit diesem Film seine "Helden"-Kompetenz also schon damals eindringlich unter Beweis gestellt und hätte eigentlich als "Erfolgsgarant" für Udos Musical gelten müssen...

Was dagegen deinen "Fund" mit jener Kriminalkomödie angeht, so war mir diese bislang ebenfalls unbekannt.
Im Hamburger Abendblatt (16.04.1974) ist nur soviel dazu zu lesen:

"Viel Vergnügen bereitete Helen Vita ihren Bewunderern bei einem Gastspiel des "euro-studios" im Ernst-Deutsch- Theater. Sie spielte in der Kriminalkomödie mit Musik "Solche Frauen sind gefährlich" von Burton Graham/Peter Goldbaum (Musik Udo Jürgens, Regie Peter Goldbaum) drei für sie maßgeschneiderte Rollen, deren rasante Übergänge sie nahtlos schaffte. So war Helen Vita eine sympathisch reife Schauspielerin, die um ihren Geliebten, einen Diplomaten, kämpft. Sie spielte mit komödiantischer Verve aber auch eine raffinierte ungarische Gangsterin, die diesen Mann erpreßt. Sie war last not least ein herrlich dumm-schlaues Dienstmädchen, das dem Stück unabsichtlich zum Happy-End verhilft. Da auch Helen Vitas Partner Helen von Münchhofen, Friedrich Joloff und Gernot Offenhausen in jeweils drei Rollen brillierten, kannte die Begeisterung des Publikums keine Grenzen."

Der Sache müßte man also noch genauer nachgehen...

MfG,
Thomas2

Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »Thomas2« (4. Juni 2012, 07:48)


Der Beitrag von »"Brit"« (Mittwoch, 30. Mai 2012, 17:44) wurde vom Benutzer »REB« gelöscht (Samstag, 6. Oktober 2012, 19:57).

7

Sonntag, 3. Juni 2012, 05:06

Hi,

vielen Dank an Brit für das Bereitstellen der Hamburger Premierenfotos!
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf die Meinungen von Zuschauern und Kritikern verweisen, die in der Sendung "Udo Jürgens - Ist er wieder da?" vom 09.08.1973 gezeigt wurden:

Hamburger "Helden"


Nun aber zurück zu Peter Goldbaums Filmvorlage aus dem Jahre 1958.
Hauptdarsteller waren also Liselotte Pulver und O. W. Fischer:




Die Filmplakate zeigen, wie "Helden" im Laufe der Zeit immer mehr Preise und Auszeichnungen erhielt. Ihm wurde sogar das höchste Prädikat "besonders wertvoll" verliehen:



Soviel also zu denjenigen Kritikern, welche sogar die Shaw'sche Vorlage angriffen und sie als "nicht eben bestgebautes Stück von Bernard Shaw" bezeichneten...

Auch international wurde der Film im großen Stil vermarktet. Hier als Beispiel einige ausländische Filmplakate:



Die Programmhefte sahen wiefolgt aus:





HELDEN - EIN TOLLKÜHNER SPASS VON GEORGE BERNARD SHAW

EINE H. R. SOKAL - P. GOLDBAUM PRODUKTION DER BAVARIA-FILMKUNST AG IN AGFACOLOR

REGIE: FRANZ PETER WIRTH
Drehbuch: Eberhard Keindorff und Johanna Sibelius - Kamera: Klaus von Rautenfeld - Musik: Franz Grothe - Bauten: Hermann Warm, Bruno Monden - Kostüme: Herbert Ploberger - Ton: F. W. Dustmann - Schnitt: Claus von Boro - Regieassistenz: Rainer Erler (als "Horst" Rainer Erler) - Kameraführung: Rolf Kästel - Kamera-Assistenz: Knut Seedorf - Maskenbildner: Raimund Stangl, Ilse Siebert - Aufnahmeleitung: Peter Hahne, Rudolf Kley - Produktionsleitung: Dietrich von Theobald - Gesamtleitung: H. R. Sokal

Die Personen und ihre Darsteller:

Bluntschli ........ O. W. Fischer
Raina .......... Liselotte Pulver
Louka ............ Ellen Schwiers
Sergius ............ Jan Hendriks
Katharina ........ Ljuba Welitsch
Petkoff ............ Kurt Kasznar
Nicola ............ Manfred Inger

sowie Horst Tappert und Hans Clarin


MAN SCHREIBT DAS JAHR 1885. Es war im Grunde eine wahnwitzige, strategisch widersinnige Tat des bulgarischen Leutnants Sergius Saranoff (Jan Hendriks), mit ein paar Reitern eine serbische Artilleriestellung anzugreifen. Glücklicherweise konnte die Kanone nicht feuern, weil falsche Munition geliefert worden war. Die Kanoniere und ihr Hauptmann mußten fliehen. Dieser Handstreich von Slivnitza, der übrigens den Krieg zugunsten der Bulgaren entschied, wurde so aufgebauscht, daß sich Saranoff als Held bestaunen und feiern lassen konnte.

Der Kommandant der Batterie, der Schweizerische Hauptmann Bluntschli (O. W. Fischer), der sich von den Serben als Söldner hatte anwerben lassen, ist auf der Flucht nachts in das Haus der Familie Petkoff, und zwar in das Schlafzimmer von deren Tochter Raina (Liselotte Pulver) eingedrungen. Raina versäumt im ersten Schreck, gleich Alarm zu schlagen, und bringt es dann nicht übers Herz, Bluntschli den Häschern zu verraten. Im Gegenteil: sie versteckt ihn - obwohl sie als Tochter des bulgarischen Majors Petkoff (Kurt Kasznar) und Verlobte des Helden der "Schlacht" von Slivnitza, Sergius, vorgibt, den Schweizer als Feind und feigen Flüchtling zu verachten und seinen Bericht über die Hintergründe dieser "Schlacht" nicht zu glauben. Mit ihrer Mutter Katharina (Ljuba Welitsch), die eingeweiht wird, füttert sie den Erschöpften mit Schokolade und bietet ihm sogar Nachtquartier an. Bluntschli will die Damen durch seine Anwesenheit nicht länger gefährden; er verdrückt sich heimlich, bevor der Tag anbricht. Mutter und Tochter können allerdings nicht ahnen, daß die auf Raina eifersüchtige Zofe Louka (Ellen Schwiers), die mit Rainas Verlobtem Sergius einen heftigen Flirt hat, alles beobachtet hat.

Der Krieg ist zu Ende. Major Petkoff genießt es, wieder zu Hause zu sein. Saranoff sonnt sich als Held von Slivnitza in der Bewunderung seiner Umgebung. In seiner Eitelkeit merkt er nicht, daß Raina ihm gegenüber skeptisch geworden ist. Andererseits ist sie mit ihrer Mutter froh, daß offenbar niemand gemerkt hat, wie sie einem Feind Unterschlupf gewährt haben. Um so entsetzter sind sie, als Bluntschli, der unterdessen mit Petkoff während der Friedensverhandlungen zusammengetroffen war, plötzlich auftaucht, um sich bei ihnen zu bedanken und - pedantisch wie der Schweizer ist - ein Kleidungsstück, das sie ihm zur Tarnung seinerzeit mitgegeben hatte, zurückzuerstatten. Der "Held von Slivnitza", Sergius, spürt Zusammenhänge, die ihm Louka, ohne die volle Wahrheit zu verraten, angedeutet hat. Er beschuldigt Bluntschli, von Raina Begünstigungen empfangen zu haben, die über das erlaubte Maß hinausgingen. Als der Schweizer von ihm zum Duell gefordert wird, äußert Bluntschli sich zwar unverhohlen über den Unsinn solcher Gebräuche, die ja mit Tod ausgehen könnten, doch als Ehrenmann nimmt er die Herausforderung an. Raina wird von ihren Gefühlen hin und her gerissen.

Das Duell findet statt. Bluntschli schlägt Sergius den Degen aus der Hand. Es kommt, wie es kommen muß: Raina, der ihr Stolz bisher im Wege stand, bekennt sich so deutlich zu Bluntschli, daß der in Herzensdingen schüchterne Schweizer den Mut aufbringt, um ihre Hand anzuhalten. Im gleichen Augenblick packt auch Louka zu, und Sergius, der nun sieht, daß er Raina verloren hat, läßt es geschehen. Raina und ihre Eltern verzichten auf ihren "Helden". Bluntschli, der noch dazu nachweisen kann, daß er einige gutgehende Hotels in der Schweiz geerbt hat, ist ihnen als nüchterner und unpathetischer Schwiegersohn doch lieber.


Und hier noch schnell die Aushangfotos zum Film:





...sowie einige Szenenfotos:
















Als nächstes wird dann morgen noch ein Zeitungsartikel folgen, der das damalige Interesse an den 58er "Helden" und deren hohen Stellenwert noch einmal deutlich unterstreicht.

MfG,
Thomas2

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Thomas2« (4. Juni 2012, 07:51)


8

Sonntag, 3. Juni 2012, 22:22

Dass Udo 1974 eine Komödie namens "Solche Frauen sind gefährlich" vertont hat - so liest sich das für mich -, ist mir gänzlich neu.. - weißt Du da etwas drüber - oder war das vielleicht schon mal Thema hier?


Hallo, habe seinerzeit das Stück gesehen, es enthielt einige (bekannte) Lieder von Udo mit an das Stück adaptierten Texten - u.a. "Wenn der letzte Vorhang fällt". (Siehe Fotos unten) Leider erinnere ich aber nicht mehr, welche Musikstücke sonst noch vorkamen. Muß mal in alten Unterlagen suchen, ob ich zu der Aufführung Notizen gemacht habe.
Also hier:

Das Titelbild:




Die Rückseite:



Und etws zum Stück und zur Crew:





9

Montag, 4. Juni 2012, 00:08

Hallo Sabina,

wow - dann ist das "Geheimnis" ja auch schon mal in Teilen geklärt - schade, ich hatte schon gehofft, es gäbe da noch "Schätze zu heben" :)... - trotzdem irritiert mich die Angabe "Texte: Walter Brandin" - ohne H intergründe zu kennen, könnte man spekulieren, dass Brandin Udos Texte für Helen Vita umgeschrieben hat bzw. in den Kontext gesetzt hat? :))

Danke auf jeden Fall für das interessante Material!

Gruß

Stephan

10

Montag, 4. Juni 2012, 07:38

Hi,

ja, herzlichen Dank an SabinaCZ für diese Infos!
Also wurde dort ähnlich verfahren, wie später in dem Film "Ein Schweizer namens Nötzli"...
Wichtig wäre nun vor allem, auch die anderen Alternativtexte von Walter Brandin aufzufinden.
Daß Udo - ähnlich wie bei "Nötzli" - dort auch selbst Aufnahmen (Demos) angeferigt hat, ist zwar nicht zu erwarten: trotzdem ist das Ganze höchst interessant!
Und witzig scheinen diese Textversionen ja allemal zu sein...

Nun aber, wie versprochen, der Zeitungsartikel zu dem Film "Helden".
Er stammt übrigens aus der Illustrierten "Kristall" ( 13. Jahrgang - Heft 20 - 1958 ):




>>Einen Krieg entschied diese Kanone. Weil für sie Munition fehlte, gewann bulgarische Kavallerie die Schlacht.




Als Retter des Vaterlandes gefeiert wird der bulgarische Leutnant Sergius Saranoff (Jan Hendriks). In Wirklichkeit war es Wahnsinn, als er eine Kavallerieattacke gegen die Kanone ritt.




Weil die serbische Kanone nicht schoß, mußte Bluntschli, Schweizer Offizier in serbischen Diensten, vor den Bulgaren fliehen. Im Schlafzimmer Rainas, der Braut Leutnant Saranoffs, ist er versteckt. Die Feinde finden ihn nicht.




Ein gefährliches Spiel treibt die sehr ehrgeizige und sehr schöne Magd Louka (Ellen Schwiers). Sie macht den Helden Saranoff ihrer Herrin abspenstig. Noch eben sträubte er sich, einer Magd auch nur die Hand zu küssen. Nun ist er besiegt.


HELDEN...

Der "tollkühne Spaß" von Bernard Shaw wird jetzt verfilmt

VON DR. URSULA MENCK

Weil Shaw die Menschen aus ihrer Selbstgefälligkeit aufrütteln wollte, schrieb er. Weil er die falschen Helden für gefährlich hielt, verspottete er sie. Den Alltag zu bestehen, schien ihm weit heroischer, als den Heldentod zu suchen. Seine Komödie "Helden" wurde vor 64 Jahren in London zum erstenmal aufgeführt. Jetzt wird sie von der Bavaria verfilmt, mit O. W. Fischer und Liselotte Pulver in den Hauptrollen. Denn die Weisheiten Bernard Shaws sind heute noch genauso aktuell, wie einst.




"Wenn ich gefangen werde, wird man mich töten." Noch verachtet Raina den unheroischen Bluntschli. Noch ahnt sie nicht, daß sie ihn lieben und seine Frau werden wird (O. W. Fischer u. Liselotte Pulver).


Auf einem Karren im Hydepark, beim Geschmetter eines Orchesters von Blechinstrumenten, machte er sich zum erstenmal dem englischen Publikum vernehmbar: der große Redner Bernard Shaw, der grundsätzlich "dagegen war", der Sozialist Bernard Shaw, der Parteigänger der Vernunft, der Verächter aller Romantik.
Als sein erstes Theaterstück über die Bühne des "Unabhängigen Theaters" in London ging, applaudierten nur ein paar Sozialisten, weil Shaw einer der ihren war. Es ging um die Bewohner der Slums, der Londoner Elendsviertel, um die Hausbesitzer, die sie ausnützten und an ihnen reich wurden. Alle anderen Premierenbesucher pfiffen. Sie wollten keine Streitgespräche sehen. Sie wollten den Alltag vergessen. Sie wollten ihren romantischen Helden. Da stieg Bernard Shaw auf die Bühne und hielt eine flammende Ansprache. Die Zeitungen waren vierzehn Tage lang voll davon. Die Premiere war kein Erfolg. Aber sie hatte einen handfesten Skandal ausgelöst. Das erste Theaterstück, mit dem er Erfolg hatte, stellte einen romantischen Helden auf die Bühne, das heißt, es enthüllte ihn. "Waffen und den Mann sing ich...", so beginnt die Äneis, jenes Heldenlied des römischen Dichters Vergil. Generationen haben die Verse voller Ehrfurcht gelesen und gelernt. Shaw war herausfordernd genug, sie als Titel über sein erstes "Erquickliches Stück" zu schreiben. "Arms and the Man" heißt es im Englischen. Zu Deutsch schlicht: "Helden". Es wurde sozusagen im Vorübergehen geschrieben, weil das Avenue-Theater in London kein Stück und die Schauspieler keine Arbeit hatten. Am 21. April 1894 fand die Uraufführung statt.
Mit diesem Tage begann Shaws Siegeszug über die Bühnen der Welt. Diesmal nämlich hatte er nicht nur Reden gehalten, er hatte ein handfestes Theaterstück geschrieben.

Pferde gegen eine Kanone

"Eine Schlacht ist geschlagen! Eine große Schlacht, bei Slivnitza, ein Sieg! Und Sergius hat ihn erfochten!" Katharina Petkoff, eine bulgarische Patriotin, stürzt ins Zimmer ihrer schönen Tochter Raina, die gerade von Sergius, ihrem Verlobten, träumt. Dieser Sieg, errungen im Jahre 1885, macht sie trunken vor Begeisterung. Bulgarien - der Sieger über Serbien! Bulgarien, das gerade eben selbstständig geworden ist. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie herrlich es ist! Eine Kavallerieattacke, denke dir nur. Auf eigene Faust führte er den Angriff aus. Er war der erste Mann, der die feindliche Artillerie durchbrach. Stell dir nur vor, Raina, wie unsere kühnen glänzenden Bulgaren mit blitzenden Augen einer Lawine gleich herniederdonnerten und die elenden Serben mit ihren geckenhaften österreichischen Offizieren wegfegten wie Spreu. Und du, du ließest Sergius ein Jahr lang warten, ehe du ihm dein Ja-Wort gabst..."
Und Raina ist ein wenig beschämt. Was für ein Held! Eine Armee von Helden! Wie konnte sie jeh auch nur eine Sekunde an ihm zweifeln! So glich das wirkliche Leben also doch den romantischen Helden Byrons und Puschkins. So war sie, Raina, poesielos gewesen, als sie nicht an den kühnen und edlen Sergius geglaubt hatte! Was für eine herrliche Welt für Frauen, in der die Männer den Helden romantischer Rittergeschichten glichen!

Schokolade statt Patronen

Romantik! Unsinn - sagt Shaw. Unsinn - sagt auch Bluntschli, der Schweizer Offizier in serbischen Diensten, der auf der Flucht vor den Bulgaren plötzlich in Rainas Schlafzimmer steht: in bejammernswertem Zustand, mit zerrissener Uniform, schmutzig, hungrig und nervös. "Schreien Sie nicht, sonst schieße ich..." Er ist Berufssoldat, ein Mann ohne Heimat, ohne Illusionen. Und er sagt der "Heldin", daß die Armee keine Armee edler Ritter ist, daß das Leben nicht von Helden gemacht wird.
Sergius - ein Held! Er benahm sich wie ein Operettentenor. "Wir haben uns über ihn halbtot gelacht", noch jetzt amüsiert sich Bluntschli über ihn. "Aber als der Feldwebel gelaufen kam, bleich wie der Tod, und uns sagte, daß wir aus Versehen die falschen Patronen bekommen hätten, da ist uns das Lachen vergangen. Ich hatte nicht einmal eine Revolverpatrone, nichts als Schokolade. Natürlich hätten sie uns in Stücke gehauen. Und da kam dieser Don Quijote wie ein Tambourmajor angestürmt und glaubte, das Klügste von der Welt getan zu haben; statt dessen verdiente er, dafür vor das Kriegsgericht gestellt zu werden. Von allen Narren, die jemals auf ein Schlachtfeld losgelassen worden sind, muß das der Schlimmste sein. Er und sein Regiment begingen einfach Selbstmord, nur ging die Pistole nicht los, das war alles!"
Das also war der große Sieg von Slivnitza, über den Katharina Petkoff jubelte: ein Bluff! Das war der große Held: ein Verrückter, ein Ketzer wider die Vernunft, ein Tor.
Shaws Sympathie gehört dem Handlungsreisenden in Uniform, dem "Pralinesoldaten" Bluntschli, der weiß, daß Schokolade oft wichtiger für den Ausgang einer Schlacht ist als Munition. Der den Mut hat zu fliehen: "Ich habe keine Lust zu sterben, solange ich das verhindern kann. Begreifen Sie das...?"
Aber Raina, die Braut eines Helden, die Patriotin, ist empört: Mit scharfer Stimme weist sie ihn zurecht: "Es gibt Soldaten, die den Tod fürchten, das weiß ich." Aber was sind das für Soldaten!
Und er: "Alle fürchten ihn, verehrte Dame, alle, glauben Sie mir. Es ist unsere Pflicht, solange zu leben, wie wir nur können..."
Und später: "Ich kämpfe nur, wenn ich kämpfen muß, bin aber sehr froh, nicht kämpfen zu müssen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist." Ihm fehlt der Glanz in den Augen, wenn er vom Krieg spricht. Ihm fehlt die verzückte Gebärde im Angesicht des Todes. Er ist ohne jede poetische Verklärung. Ein Landsknecht, der für Serbien kämpft, weil es zufällig der Schweiz näher als Bulgarien liegt.