Udo Jürgens verzauberte das Erfurter Publikum
Kein einziger Sitzplatz in der Erfurter Messehalle war mehr frei. Vor rund 10000 Zuschauern gab Udo Jürgens ein begeistertes Konzert auf seiner neuen Tour "Mitten im Leben".
Er steht auch in seinem 80. Lebensjahr noch mitten im Leben und hat soeben seine 25. Konzerttournee durch das deutschsprachige Europa angekündigt: Udo Jürgens – legendärer Entertainer, Chansonnier, Musiker und Komponist von Weltformat. Will man ihn beschreiben, kommt man nicht umhin sehr tief in die Kiste der Superlative zu greifen, denn Udo begleitet
uns mit seinen Liedern sozusagen als Soundtrack des eigenen Lebens: Seit über fünf Jahrzehnten, mit unzähligen Hits und Evergreens und mit beispielloser Resonanz. 1967 war die Zeit des Kalten Krieges und des technologischen Wettlaufs der Russen und Amerikaner mit ihren Sojus und Saturn Raketen, noch vor der Mondlandung, das Jahr als Dr. Christiaan Barnard das erste Herz
verpflanzte, die Beatles auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung das Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band-Album veröffentlichten und Elvis seine Priscilla heiratete.
Heute, rund 2.000 Konzerte mit 6,5 Millionen Zuschauern später, geht Udo Jürgens seine 25. Tournee an: Mit ungebrochen sprühendem Elan und als augen- und ohrenfälliges Indiz seiner Liebe zur Musik. Allerdings hat niemand, der Udo schon mal live in Aktion erleben durfte, ernsthaft bezweifelt, dass er das anspruchsvolle Unterfangen einer Tournee nochmals anpacken wird. Das ist er seiner treuen Zuhörerschaft ganz einfach schuldig.
Und das Programm rund um seinen 1.000-Lieder-Fundus verspricht einmal mehr beste Unterhaltung mit Haltung. Oder um in Bildern seines New York Musicals zu malen: Udo Jürgens lädt zur emotionalen Zeitreise auf dem Ozean der Gefühle und ankert mit uns in den Häfen und Lagunen unserer eigenen Erinnerung und Befindlichkeit.
Quelle: dtoday.de
"Die Welt braucht Lieder"
Er trinkt - wie immer - Tee. Spielt - wie immer - auf einem "Schimmel"-Flügel. Und kommt am Schluss - wie immer - im Bademantel auf die Bühne. Und doch ist etwas anders am Freitagabend in der Erfurter Messehalle: Udo Jürgens ist gerade 80 Jahre alt geworden.
In Klagenfurt fing alles an", steht in riesigen Lettern auf der Bühnenrückwand geschrieben, vor der die 25 Musiker gleich Platz nehmen werden, und vor der er gleich stehen, sitzen, und sogar tanzen wird. Der Stern beginnt seine Reise, fliegt von Kontinent zu Kontinent, von Oslo nach Sidney, von Wien nach Los Angeles, von Stockholm nach Moskau - und schließlich nach Erfurt. Hunderte Städte mögen es sein. "Lieder zeichnen die Wege meines Lebens" ist zu lesen. Und dann hört man diese Stimme, die man seit "Merci, Cherie", seit "Griechischer Wein" oder "Aber bitte mit Sahne" nie wirklich vergessen hat. "Fliegen gegen den Wind", erklingen die Textzeilen aus dem Off. "Schwimmen gegen den Strom", "Segeln gegen den Sturm", "Der Gewalt Widerstand leisten", "Seine Stimme erheben und singen, ehe uns hören und sehen vergeht". Ja Udo, "Die Welt braucht Lieder". Wie recht Du doch hast. Und wie Du es doch triffst, das Herz Deiner Fans, mit diesem ersten Lied, vielleicht sogar Dein schönstes, das nun auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. "Die Welt braucht Lieder" singst Du, und sie jubeln Dir dabei so ausgelassen zu, als stündest Du schon auf der Bühne. Dieser Moment, Udo, ist der Mühe vieler Jahre Lohn.
Mit Weisheit geadelt
Am 30. September bist Du Achtzig geworden. Was für ein Alter für einen Sänger! Was für ein Alter für jemanden, der noch immer wie eh und je an seinem Flügel sitzt. Wackelig Deine Stimme, ein ganz klein wenig nur - bei Deinen ersten Liedern. Aber niemand, der Dir das ankreiden würde an diesem Abend. Ganz im Gegenteil: Wie durch Altersweisheit geadelt legt sich die Art, Deine alten Lieder heute ganz anders zu singen, in Deine Konzerte. Mal leise, wenn Dir die Gedanken besonders wichtig erscheinen. Mal laut, wenn Du die Kraft der Musik brauchst, um ein Wort zu unterstreichen. Mit Achtzig, Udo, haben Deine Lieder neues Gewicht. Denn in ihnen schwingen die Gedanken eines Menschen, der fast ein ganzes Jahrhundert durchschritten, und manchmal auch durchlitten hat, ohne dass Du nur eine Zeile hättest ändern müssen: "Mit 66 Jahren", "Das ehrenwerte Haus", "Liebe ohne Leiden", "Immer wieder geht die Sonne auf", "Ich war noch niemals in New York". Jeder kennt sie. Und doch ist es anders, wenn Du heute vom "Griechischen Wein erzählst". Wenn Du es ganz langsam spielst auf Deinem Flügel, jedem Wort mit Bedacht Stimme gibst. Tiefer, viel tiefer, geht dieses Lied unter die Haut. Erst heute, Udo, versteht man vielleicht wirklich, was Du schon vor so vielen Jahren damit sagen wolltest.
Bescheiden bist Du Zeit Deines Lebens geblieben, so wie es auch Deine Autobiografie, wie es der Film über Dich schon erzählt: "Der Mann mit dem Fagott" - wer Dich in ihm als Hitlerjungen sieht, der bekommt die Szene, als Dir vom Gruppenführer eine Ohrfeige verpasst wird, an der Du - auch Zeit Deines Lebens - leiden wirst, nie wieder aus dem Kopf. Demütig stehst Du nun in Erfurt vor Deinem Publikum. Sagst, dass die Zeit auf der Bühne für Dich die Stunde der Wahrheit ist. Sagst, dass Du mit Deinem 25 Musikern nun alles dafür tun wirst, dass diese Zeit nicht vergeudet sein wird. Und es klingt, als wärst Du dankbar dafür, dass sie alle hier sind. Weil Du so merkst, dass die Zeit, die Du für Deine Musik aufgewendet hast, auch für Dich nicht vergeudet gewesen ist.
Protestsongs hast Du nie geschrieben. Immer aber Lieder mit Haltung. Keine Zeile, nirgends, in der ein Gedanke nur so dahingesagt wäre. Und doch protestierst Du auch mit manchem Deiner Lieder. In Erfurt sprichst Du von einer Symbiose zwischen Publikum und Künstler, die ein Gegengewicht bilde, zu all den "schrecklichen Dingen" auf der Welt. Nun ja, könnte man da noch denken, als Du "Achte auf Deine Gedanken", singst. Aber dann, die Geschichte von Vater und Sohn: "Der gekaufte Drachen". Der Vater, der Tag und Nacht daran arbeitet, seinem Sohn ein gemachtes Bett zu hinterlassen. Der kleine Junge, der liebend gerne einfach nur einen Drachen mit dem Vater bauen will. Berührender als in diesem Lied lässt sich die Krankheit nicht beschreiben, die unsere Gesellschaft befallen hat: Nicht lieben können. Über 30 Jahre ist das Lied alt. Doch erst jetzt, Udo, hast Du die richtige Stimme und das richtige Gefühl dafür.
Vertraute Sprache
Du singst vom gläsernen Menschen, gefangen im Netz. Klagst die Regierungen an für ihr schamloses Tun, alle und alles zu kontrollieren. Du singst von der "Krone der Schöpfung". Klagst die Menschen an für ihr schamloses Tun, sich die Erde untertan machen. "Untertan machen", über andere "herrschen", sagst Du, sei ein Bibelwort, was nie hätte aufgeschrieben werden dürfen. Höchstens sich einfügen, das dürfe der Mensch. "Wir predigen die Liebe, und führen täglich Krieg", "Wir sagen nicht mehr 'Bitte!', wir schreien nur 'Ich will!'", "Wir fragen nicht, wir nehmen, wir leben uns're Gier! Denn nach uns kommt die Sintflut, doch erstmal kommen wir!" Für diesen Text hast Du wunderbare Musik geschrieben und arrangiert. Und das ist überhaupt etwas, was sich durch diesen Abend zieht: Musik, die jenseits der Textzeilen eine ganz eigene Sprache entwickelt: Von Herzlichkeit erzählt sie, und von Vertrautheit.
Auch deswegen, Udo, ist dieses Erfurter Konzert seit Wochen ausverkauft: Herzlichkeit und Vertrautheit, Liebe und Wärme in verunsichernden globalen Zeiten - danach suchen die Menschen. Du gibst ihnen das mit Deinen Liedern, die "Zeichen deines Weges" und also authentisch sind. Den Bademantel, klar, den ziehst Du auch in Erfurt an. Ein Marotte nur von Dir, aber etwas, das bleibt am Ende eines großartigen Abends. Ja, Udo: "Die Welt braucht Lieder". Deine Lieder!
Quelle: insuedthueringen.de