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Samstag, 27. November 2010, 06:25

Russische Nächte

Hi,

hier eine kleine Schilderung jener Tournee-Reise, welche Udo Jürgens zusammen mit Max Greger 1959 nach Moskau unternahm.
Es war die erste Tournee einer westlichen Band in die damalige UdSSR seit 35 Jahren.
Mit von der Partie war auch Udo's langjähriger Freund, der Sänger Frank Forster.
Udo hatte ihn 1955 beim RIAS kennengelernt, als er von Werner Müller zu Rundfunkaufnahmen nach Berlin gerufen wurde.
Zu dieser Zeit wohnte Udo noch in Klagenfurt und Frank Forster in München.
Kurze Zeit später zog Udo dann zu seinem neuen Freund nach München und wohnte etwa zwei Jahre zusammen mit Frank Forster in der Pension "Hella Georgia" in der Münchner Georgenstraße.
Der nun folgende Bericht ist der großen Fortsetzungsreihe "So ist mein Leben - Die große Udo-Jürgens-Story" von Edna Roon entnommen:



Originalgröße:
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Reisen! Das ist ein Kapitel für sich in dem Leben von Udo Jürgens. Nie hielt er es lange an einem Ort aus. Immer wieder reizte ihn der Schritt in die Ferne, das große unbekannte Abenteuer. Und Frank Forster machte mit.
Eines Nachts saßen sie wieder einmal zusammen mit ein paar Freunden in ihrem Stammlokal, dem Münchner Hot-Club. Gegen zwei Uhr sagten sie, daß sie leider schon gehen müßten: Koffer packen.
"Wohin fahrt ihr denn?" wollten die Freunde wissen.
"Nach Moskau!" antwortete Udo.
Die Freunde fielen fast auf den Rücken. "Und wann fahrt ihr los?" fragten sie leicht benommen.
"In einer Stunde" entgegnete Udo, ohne mit der Wimper zu zucken.
Aber die beiden waren tatsächlich pünktlich am Treffpunkt bei den Bussen, die sie zusammen mit dem Orchester Max Greger nach Ostberlin verfrachteten. Von dort aus ging es mit dem Zug in die Hauptstadt der Sowjetunion.
Im selben Schlafwagen reiste auch der weltberühmte russische Arzt, der vor Jahren einem Hund einen zweiten Kopf aufpflanzte und das Monstrum tagelang am Leben hielt. Auf der Fahrt nach Moskau widmete er sich allerdings einer freundlicheren Aufgabe: Er paukte Udo den russischen Text des Schlagers "Moskauer Nächte" ein, der anschließend auch bei uns ein Hit wurde. "Daß ich den Text behalten habe, war ein wahres Wunder", erinnert sich Udo. "Dieser Arzt setzte uns mit Wodka derart zu, daß wir wie die Leichen in Moskau landeten."
Die Tournee der Westdeutschen wurde ein Sensationserfolg. Sie führte nach Moskau, Leningrad, Jerewan, Baku, Tiflis und Sotschi. Achtunddreißig Konzerte waren eigentlich geplant, aber eine ganze Reihe von Veranstaltungen mußte noch nachgeschoben werden. Andernfalls hätte die Sowjetunion vermutlich eine zweite Revolution erlebt. Es war die erste westliche Show, die jemals hinter dem Eisernen Vorhang gastierte, und die Russen spielten vor Begeisterung verrückt.
Dabei hatte die ganze Geschichte recht ungemütlich begonnen. In Moskau wurden die westdeutschen Musikanten gleich am Bahnhof von einer Gruppe bierernster Funktionäre abgefangen. Bevor sie auch nur ihre Koffer auspacken durften, wurden sie ins "Theater der Roten Armee" verfrachtet.
"Wir mußten angesichts eines dunklen Zuschauerraums, in dem nur die Abordnung des sowjetischen Kultusministeriums Platz genommen hatte, sofort unser geplantes Programm abrollen lassen", erzählt Udo. "Es war gespenstisch. Keine Hand rührte sich zum Beifall. Nach jeder Nummer hörten wir entweder ein 'da!' (ja) oder ein 'njet' (nein). Nur die zahmsten Sachen wurden akzeptiert. Die heißen Nummern, die uns natürlich am meisten Spaß machten, fielen allesamt unter den Tisch. Wir ärgerten uns grün.
Leicht vermiest kamen wir am Abend ins Theater. Aber dort gingen uns die Augen über. Die Veranstaltung fand nicht im Saal, sondern in einem gigantischen Freilichttheater, das rund 8000 Menschen faßt, statt. Es war bis auf den letzten Platz gefüllt. Kaum hatten wir unsere Show begonnen, als sich in den hinteren Reihen, wo die Jugend saß, heftige Unruhe ausbreitete. Die jungen Leute pfiffen auf den Geschmack ihrer Funktionäre. Sie wollten Jazz von uns hören. Heiße Musik - und sonst gar nichts. Ich werde nie vergessen, wie Max Greger plötzlich Feuer fing und uns kurzentschlossen zurief: 'Jetzt spielen wir, was wir wollen!'
Kaum legten wir richtig los, da brach im Theater die Hölle aus. Die Jugend drängte begeistert nach vorn und schmiß die 'Offiziellen' die sich in den ersten Reihen breitmachten, einfach um.
Es war ein Sieg ersten Ranges. Als wir ins Hotel Ukraine zurückkamen, waren wir zwar glücklich, aber wir glaubten felsenfest, daß man uns nun postwendend aus der Sowjetunion ausweisen würde. Doch nichts dergleichen geschah."
In Moskau pilgerte Udo natürlich auch zum Haus seiner Vorfahren. Leider durfte er es noch nicht einmal fotografieren, weil es inzwischen als Polizeipräsidium dient und daher wie ein Staatsgeheimnis vor den Kameras westlicher Touristen gehütet wird.
So rauschend die Erfolge und so unvergeßlich die Begegnung mit der Gastfreundschaft der Russen während der Tournee durch die Sowjetunion auch waren, am Ende sehnte sich Udo doch nach Deutschland zurück.
"Das Leben dort war mir einfach zu kompliziert", erinnert sich Udo. "In den meisten Hotels mußte man zum Beispiel das Mittagessen schon am Vorabend bestellen. Man wartete dann trotzdem noch zwei Stunden darauf. Es war oft zum Auswachsen."
Noch mehr auf den Wecker fiel Udo allerdings die Tatsache, daß er so gut wie keinen Kontakt mit den hübschen Landestöchtern bekommen konnte. Die Westler wurden auf Schritt und Tritt von "Strohhut-Typen" beschattet, die unschwer als Geheimpolizisten zu erkennen waren. Auch die Mädchen wußten das und hatten Angst davor, sich mit einem der netten Burschen zu treffen, obwohl sie ihnen ganz offensichtlich gut gefielen. Das war natürlich kein Zustand für Udo, der gerne gesteht: "Die Liebe hat schon immer einen gewaltigen Eindruck auf mich gemacht!"
Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik hatte er jedoch bald andere Sorgen. Nach dem warmen Erfolgsbad in Rußland erwartete ihn nämlich in Deutschland eine eiskalte Dusche...

...doch das ist wieder eine andere Geschichte...

Erwähnenswert wäre noch, daß Max Greger 1959 im Zuge dieser Rußland-Tournee eine Single ("Moskauer Nächte") und eine EP ("Max in Moskau") bei Polydor aufnahm - beide leider ohne Udo Jürgens.



MfG,
Thomas2