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Samstag, 4. März 2006, 16:09

Saarbrücken: Akustik-Probleme und Schnee-Chaos

„Jetzt wird es ja langsam Sommer“. Das war wohl der Spruch des Tages. Damit hatte Udo unbeabsichtigt die Lacher auf seiner Seite. Unbeabsichtigt, weil es gar nicht lustig gedacht war.
Auch wenn es nicht alle mitbekommen haben, die Wahrheit sah leider anders aus: Ich kann mich nicht erinnern, bei uns schon mal so viel Schnee gesehen zu haben. Den ganzen Tag über hat es kräftig geschneit. Schnee und Eis haben den Verkehr in Südwest-Deutschland teilweise komplett lahm gelegt. Die Straßen wurden nur in Ausnahmefällen geräumt, da es ja gerade modern ist, überall zu streiken.
Udo aber wollte diesem Trend einfach nicht folgen. Er streikte nicht. „Udo Jürgens wird das Konzert auf alle Fälle spielen!“, sagte mir der Veranstalter am Telefon „und wenn Sie nicht kommen können, verfallen Ihre Karten.“ Ok, dann auf ins Schneechaos.
Für ein Udo-Konzert würde doch jeder sein Leben riskieren. Na gut, nicht jeder, denn einige (Un)vernünftige blieben zu Hause, mit der Hoffnung, das Konzert werde abgesagt, was beim Blick aus dem Fenster und beim Anhören der Staumeldungen und Nachrichten geradezu offensichtlich erschien.
Doch erstaunlich wenige Plätze in der Halle blieben leer. Die Große Mehrheit kämpfte sich durch Schnee und Eis.

Es ist ja irgendwie lustig, dass meine letzten Konzerte überwiegend bei Extrembedingungen stattfanden: Sturm und Gewitter beim Open-Air in Wiesbaden, zwei Wochen später schwüle Hitze in Trier, und als ich 2004 nach Frankfurt wollte, gab’s schon einmal ein Schneechaos.

Nach meiner Wetter-Kritik muss ich nun leider auch mit einem kritischen Punkt beginnen, was das Konzert angeht: Der Klang in der Halle war zeitweise eine Zumutung. Ich weiß nicht, was da schief gelaufen ist. Vielleicht ist ja die ganze Tontechnik irgendwo im Schnee stecken geblieben, so dass man auf eine Amateur-Ausstattung zurückgreifen musste. Das wär zumindest eine plausible Erklärung. Doch wenn es wirklich die Ausstattung war, die Udo immer dabei hat, würd ich mir mal dringend überlegen, den Tontechniker zu wechseln.

Wenn der laute Big-Band-Sound dröhnte, war Udo’s Stimme sehr schlecht zu verstehen und klang irgendwie so leer. Ich kenn mich zwar nicht aus, aber irgendetwas fehlte bei der Abmischung von Udo’s Stimme. Leider wirkten seine hohen Töne dadurch sehr angestrengt.
Auch der Sänger selbst merkte schon beim ersten Lied, dass da gerade etwas ganz und gar nicht passt. Während des Schlusstons machte Udo mit beiden Armen wilde Zeichen in die Luft. Kurz darauf, beim Applaus, wiederholte er die Zeichen und schimpfte vor sich hin.

Ich denke, bei der heutigen Technik muss es doch möglich sein, eine gute Akustik hinzubekommen. Solche Probleme drücken doch auch die Stimmung der Künstler auf die Bühne. Und das schadet dem Konzertfluss und muss nicht sein.
Der Konzertbeginn stand wirklich unter keinem guten Stern. Denn nicht nur die Akustik drückte Udo’s Laune:
Als beim obligatorischen Begrüßungsgespräch (über die langjährigen Fans und auch die Mitgeschleppten) eine Frau von der Tribüne laut rein gerufen hatte, unterbrach er und begrüßte die Frau mit dem gewohnt ironischen Unterton („Ich dachte schon, du wärst heute mal nicht da“). Dann fing die Frau an zu singen: „Ich war noch niemals in New York…“. Die Selbstdarstellerin hatte erreicht, was sie wollte: Das Publikum lachte. Doch Udo war ganz und gar nicht erfreut. Er sagte etwas in der Art: „Jetzt hab ich den Faden verloren.“, machte dann aber an einer anderen Stelle weiter.
Nach ein paar Sätzen drehte er sich noch einmal zu der Frau und sagte sichtlich gereizt: „Und Ihnen möchte ich noch mal was sagen: Wenn Sie nur auf dieses eine Lied warten, dann schlag ich Ihnen vor, um die Ecke zu gehen, was zu trinken und in anderthalb Stunden wieder rein zu schauen.“

Also meine Bitte an alle Selbstdarsteller:
Wenn ihr Udo’s Stimmung und damit unter Umständen ein ganzen Konzert vermiesen wollt, dann macht weiter so. Ansonsten haltet die Klappe oder kauft euch eine CD mit den Ballerman-Hits von ihm. Dazu könnt ihr dann daheim grölen!

Die Liederabfolge kennt mittlerweile wahrscheinlich jeder, deshalb werd ich nur noch auf Besonderheiten eingehen: Sehr gut hat mir das Opening gefallen: Zuerst der singende „Schatten“, dann der Paukenschlag plus fallendem Vorhang. Ich find’s toll, was aus dem Auftaktlied immer wieder rausgeholt wird.
Dass „Nach all den Jahren“ im Programm ist, find ich super. Ich glaube, dieses Lied ist das heimliche Highlight der Tournee.
Ein absoluter Höhepunkt ist natürlich auch „5 vor 12“ in der langen Version mit neuen Klavier-Arrangements und dem eindringlichen Finale mit Bildern von Krieg und Zerstörung und dröhnendem Bass, so laut, dass so manchen das Gebiss und die Diamanten flatterten.

Allgemein war die erste Hälfte ungewohnt laut. Im Zusammenspiel mit der miserablen Akustik war das leider nicht immer vorteilhaft.

Sehr gut gelungen fand ich auch den Anti-Spießer-Mix „Leute“/“Ehrenwertes Haus“.

Ich an Udo’s Stelle hätte aus dem schönen Text von „Dass ich dich liebe, was geht es dich an“ ein etwas melancholischeres Lied gemacht. Ich finde, ein Reggae passt da nicht besonders. Aber wahrscheinlich war dieser seltsame Kontrast gerade beabsichtigt.

Auch hier in Saarbrücken gab es einen verfrühten Sturm, nämlich schon bei der Zugabe vom „Fagott“. Aber zum Glück gab es hier niemanden, der sich lauthals beschwerte.
Was in der 2. Hälfte gut rüber kam, war „Auch kleine Steine ziehen große Kreise“, die geniale Stimme der New Yorkerin und „Das wünsch ich dir“.

Lieder die man meiner Meinung nach hätte weglassen können, sind „Flieg mit mir“ und „Frauen“.

Insgesamt ist die Programm-Zusammenstellung sehr gut. Mir fällt aber auf, dass hier sehr oft eine schlechte Akustik bemängelt wird. Daran muss unbedingt gearbeitet werden.

Ich bin ja mal gespannt, ob der Tour-Tross innerhalb von 20 Stunden von Saarbrücken nach Mannheim kommt. Die Heimfahrt über die immer noch verschneite A6 war nämlich alles andere als einfach. Udo kommt mit seinem Geländewagen bestimmt durch. Aber mit den Tour-LKWs würd ich mich momentan nicht auf die Autobahnen trauen.

Abwarten!

Grüße an alle,
Christian

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Sonntag, 5. März 2006, 00:51

Hallo Christian,

na, da hast Du aber mit dem Wetter echt Pech gehabt. Mittlerweile heißt es auch bei uns in Südbayern "Schneeunter".
Was die Akustik angeht, gibt es tatsächlich doch einige kritische, aber auch sehr positive Aussagen. Bei dem von mir besuchten Konzert in München ist mir aufgefallen, dass die Abmischung des Orchesters und auch Udos Stimme eigentlich gelungen waren - jedoch die Lautstärke in meinen (und nicht nur meinen) Ohren einfach zu laut war. Dies insbesondere in den zahlreichen Stellen mit kompletten Orchester mit Bläsern usw. Es scheint, dass in Saarbrücken wohl doch irgend etwas nicht so war wie bisher. Auch wenn ich schon wesentliche besseren Sound als in München genießen durfte, war der Klang aber keineswegs eine "Zumutung" wie Du schreibst. Es war einfach zu laut. Wobei auch die Hallenakustik meist sehr unterschiedlich ist und auch der jeweilige Sitzplatz entscheidend ist.
Solche Probleme gab es übrigens auch schon bei den letzten Tourneen. So wurde z.B. bei der Tour 2000 für die Zusatzkonzerte 2001 eine komplett andere PA-Anlage benutzt - was wirklich dann auch positiv hörbar war. Auch fällt das mit dem Sound heute vielleicht auch mehr auf, weil durch die Arrangements von Thorsten Maas (den wohl besten Arrangeur, der das Orchester erst "zum besten Orchester, dass ich je hatte" macht) wesentlich mehr Bläserstellen vorkommen - und bekanntlich diese immer sehr schwer abzumischen sind.

Ich wünsche allen Besuchern noch folgender Konzerte noch viel Spaß - und immer einen perfekten Klang.

Wupli
Carpe Diem - Jetzt oder Nie

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3

Sonntag, 5. März 2006, 03:01

Hallo Wupli,

ja, auch mir kommt es auf dieser Tour sehr laut vor. Ich find's aber ok so. Wenn alles gut abgemischt ist, darf es ruhig laut sein. Aber hast schon Recht: durch die bläserlastigen Arrangements ist das Ganze schwierig, da die Bläser - was die Lautstärke angeht - immer so ein bisschen die Grenze zum Unangenehmen festlegen.
Und es stimmt, der Sitzplatz kann bei der Akustik sehr viel ausmachen. Aber es ist schade, dass es noch nicht gelingt auch für diejenigen Besucher einen optimalen Sound zu bieten, die nicht genau frontal zur Bühnenmitte sitzen.
Heute in Mannheim hatte ich einen ziemlich ähnlichen Platz. Und hier war die Akustik um Welten besser als in SB.
Damit hab ich schon vorweg genommen: Auch das Konzert in Mannheim hat stattgefunden. Die A6, die letzte Nacht noch zugeschneit und zugeeist war, war heute Abend wieder völlig frei. Es scheint so, als hätten die Streuwagen-Fahrer für Udo wieder ihre Arbeit aufgenommen.

Und auch das nehm ich schonmal vorweg:
Das Konzert in Mannheim war richtig gut. Udo war echt super gelaunt. Im Gegensatz zum Vorabend konnte ihm nichts die Laune verderben. Noch nicht mal Rosen-Dornen im Finger ;-)

Viele Grüße,
Christian

4

Sonntag, 5. März 2006, 19:17

Hallo Christian Moritz,
danke für deine immer wieder lesenswerten Beiträge.
Zur Songauswahl:
Auf "Frauen" könnte ich auch gut verzichten, allerdings finde ich "Flieg mit mir" sehr schön, zumal zu Beginn dieses Stückes der Vorhang hinter dem Orchester vor der Leinwand weggezogen wird und dann auf der Leinwand weiße Wolken vor blauem Himmel vorbeiziehen - das ist so schlicht wie schön, um die Atmosphäre des Stückes zu illustrieren gerade richtig am Anfang des Konzertes.
Schon alleine deswegen, aber auch weil mir der Trext gut gefällt, schätze ich das Stück bei der Tournee sehr.