„Jetzt wird es ja langsam Sommer“. Das war wohl der Spruch des Tages. Damit hatte Udo unbeabsichtigt die Lacher auf seiner Seite. Unbeabsichtigt, weil es gar nicht lustig gedacht war.
Auch wenn es nicht alle mitbekommen haben, die Wahrheit sah leider anders aus: Ich kann mich nicht erinnern, bei uns schon mal so viel Schnee gesehen zu haben. Den ganzen Tag über hat es kräftig geschneit. Schnee und Eis haben den Verkehr in Südwest-Deutschland teilweise komplett lahm gelegt. Die Straßen wurden nur in Ausnahmefällen geräumt, da es ja gerade modern ist, überall zu streiken.
Udo aber wollte diesem Trend einfach nicht folgen. Er streikte nicht. „Udo Jürgens wird das Konzert auf alle Fälle spielen!“, sagte mir der Veranstalter am Telefon „und wenn Sie nicht kommen können, verfallen Ihre Karten.“ Ok, dann auf ins Schneechaos.
Für ein Udo-Konzert würde doch jeder sein Leben riskieren. Na gut, nicht jeder, denn einige (Un)vernünftige blieben zu Hause, mit der Hoffnung, das Konzert werde abgesagt, was beim Blick aus dem Fenster und beim Anhören der Staumeldungen und Nachrichten geradezu offensichtlich erschien.
Doch erstaunlich wenige Plätze in der Halle blieben leer. Die Große Mehrheit kämpfte sich durch Schnee und Eis.
Es ist ja irgendwie lustig, dass meine letzten Konzerte überwiegend bei Extrembedingungen stattfanden: Sturm und Gewitter beim Open-Air in Wiesbaden, zwei Wochen später schwüle Hitze in Trier, und als ich 2004 nach Frankfurt wollte, gab’s schon einmal ein Schneechaos.
Nach meiner Wetter-Kritik muss ich nun leider auch mit einem kritischen Punkt beginnen, was das Konzert angeht: Der Klang in der Halle war zeitweise eine Zumutung. Ich weiß nicht, was da schief gelaufen ist. Vielleicht ist ja die ganze Tontechnik irgendwo im Schnee stecken geblieben, so dass man auf eine Amateur-Ausstattung zurückgreifen musste. Das wär zumindest eine plausible Erklärung. Doch wenn es wirklich die Ausstattung war, die Udo immer dabei hat, würd ich mir mal dringend überlegen, den Tontechniker zu wechseln.
Wenn der laute Big-Band-Sound dröhnte, war Udo’s Stimme sehr schlecht zu verstehen und klang irgendwie so leer. Ich kenn mich zwar nicht aus, aber irgendetwas fehlte bei der Abmischung von Udo’s Stimme. Leider wirkten seine hohen Töne dadurch sehr angestrengt.
Auch der Sänger selbst merkte schon beim ersten Lied, dass da gerade etwas ganz und gar nicht passt. Während des Schlusstons machte Udo mit beiden Armen wilde Zeichen in die Luft. Kurz darauf, beim Applaus, wiederholte er die Zeichen und schimpfte vor sich hin.
Ich denke, bei der heutigen Technik muss es doch möglich sein, eine gute Akustik hinzubekommen. Solche Probleme drücken doch auch die Stimmung der Künstler auf die Bühne. Und das schadet dem Konzertfluss und muss nicht sein.
Der Konzertbeginn stand wirklich unter keinem guten Stern. Denn nicht nur die Akustik drückte Udo’s Laune:
Als beim obligatorischen Begrüßungsgespräch (über die langjährigen Fans und auch die Mitgeschleppten) eine Frau von der Tribüne laut rein gerufen hatte, unterbrach er und begrüßte die Frau mit dem gewohnt ironischen Unterton („Ich dachte schon, du wärst heute mal nicht da“). Dann fing die Frau an zu singen: „Ich war noch niemals in New York…“. Die Selbstdarstellerin hatte erreicht, was sie wollte: Das Publikum lachte. Doch Udo war ganz und gar nicht erfreut. Er sagte etwas in der Art: „Jetzt hab ich den Faden verloren.“, machte dann aber an einer anderen Stelle weiter.
Nach ein paar Sätzen drehte er sich noch einmal zu der Frau und sagte sichtlich gereizt: „Und Ihnen möchte ich noch mal was sagen: Wenn Sie nur auf dieses eine Lied warten, dann schlag ich Ihnen vor, um die Ecke zu gehen, was zu trinken und in anderthalb Stunden wieder rein zu schauen.“
Also meine Bitte an alle Selbstdarsteller:
Wenn ihr Udo’s Stimmung und damit unter Umständen ein ganzen Konzert vermiesen wollt, dann macht weiter so. Ansonsten haltet die Klappe oder kauft euch eine CD mit den Ballerman-Hits von ihm. Dazu könnt ihr dann daheim grölen!
Die Liederabfolge kennt mittlerweile wahrscheinlich jeder, deshalb werd ich nur noch auf Besonderheiten eingehen: Sehr gut hat mir das Opening gefallen: Zuerst der singende „Schatten“, dann der Paukenschlag plus fallendem Vorhang. Ich find’s toll, was aus dem Auftaktlied immer wieder rausgeholt wird.
Dass „Nach all den Jahren“ im Programm ist, find ich super. Ich glaube, dieses Lied ist das heimliche Highlight der Tournee.
Ein absoluter Höhepunkt ist natürlich auch „5 vor 12“ in der langen Version mit neuen Klavier-Arrangements und dem eindringlichen Finale mit Bildern von Krieg und Zerstörung und dröhnendem Bass, so laut, dass so manchen das Gebiss und die Diamanten flatterten.
Allgemein war die erste Hälfte ungewohnt laut. Im Zusammenspiel mit der miserablen Akustik war das leider nicht immer vorteilhaft.
Sehr gut gelungen fand ich auch den Anti-Spießer-Mix „Leute“/“Ehrenwertes Haus“.
Ich an Udo’s Stelle hätte aus dem schönen Text von „Dass ich dich liebe, was geht es dich an“ ein etwas melancholischeres Lied gemacht. Ich finde, ein Reggae passt da nicht besonders. Aber wahrscheinlich war dieser seltsame Kontrast gerade beabsichtigt.
Auch hier in Saarbrücken gab es einen verfrühten Sturm, nämlich schon bei der Zugabe vom „Fagott“. Aber zum Glück gab es hier niemanden, der sich lauthals beschwerte.
Was in der 2. Hälfte gut rüber kam, war „Auch kleine Steine ziehen große Kreise“, die geniale Stimme der New Yorkerin und „Das wünsch ich dir“.
Lieder die man meiner Meinung nach hätte weglassen können, sind „Flieg mit mir“ und „Frauen“.
Insgesamt ist die Programm-Zusammenstellung sehr gut. Mir fällt aber auf, dass hier sehr oft eine schlechte Akustik bemängelt wird. Daran muss unbedingt gearbeitet werden.
Ich bin ja mal gespannt, ob der Tour-Tross innerhalb von 20 Stunden von Saarbrücken nach Mannheim kommt. Die Heimfahrt über die immer noch verschneite A6 war nämlich alles andere als einfach. Udo kommt mit seinem Geländewagen bestimmt durch. Aber mit den Tour-LKWs würd ich mich momentan nicht auf die Autobahnen trauen.
Abwarten!
Grüße an alle,
Christian